#15: Kamera aus, Leben an: Dieser Digital-Detox-Tipp hilft dir, die besten Momente zu genießen, anstatt sie zu fotografieren – um sie dadurch zu verpassen

Wer alles fotografiert, erlebt nichts mehr. Wer alles filmt, verpasst das Ereignis. Wer überall sein will, ist nirgends präsent.

Kamera aus, Leben an: Dieser Digital-Detox-Tipp inspiriert dich, deine Sinne zu aktivieren und Augenblicke so intensiv zu erleben und zu genießen, dass du später das Gefühl hast, du hättest sie als Makro-Aufnahme fotografiert und in Zeitlupe gefilmt. Hast du auch: in dir. 

VIDEOCAST: KAMERA AUS, LEBEN AN


PODCAST: KAMERA AUS, LEBEN AN

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DER DIGITAL-DETOX-TIPP AUF EINEN BLICK

Digital-Detox-Tipp Kamera aus, Leben an!

TRANSKRIPT: KAMERA AUS, LEBEN AN

Ich spreche und filme schnittarm. Vor der Aufnahme schreibe ich einen Artikel zum Thema oder lese etwas aus meinen Büchern. Manchmal notiere ich nur ein paar Stichpunkte. Auf Basis dessen spreche ich die Folge frei ins Mikro und in die Kamera. Hier findest du das Transkript, manchmal auch einen Artikel zum Thema, Hinweise und Links zu Quellen und Studien und meist auch ein paar Zusatz-Gedanken und Zusatztipps.


Was passiert eigentlich mit den schönsten Momenten des Lebens? Wir fotografieren sie.

Warum?

Um sie festzuhalten. 

Funktioniert das?

Nein. 

Das Gegenteil ist der Fall: Im Versuch, diese Momente festzuhalten, verpassen wir sie. 

Der Versuch, Momente festzuhalten, indem man sie filmt oder fotografiert, ist per se zum Scheitern verurteilt:

Das Medialisieren des Moments führt dazu, dass der Moment ohne uns stattfindet.

Ist das nicht verrückt? 

Doch.

Sehr sogar.

Früher habe ich alles geknipst, was mir vor die Handykamera gelaufen ist – und dadurch viele Momente verpasst und jede Menge Datenmüll produziert.

 
Das Paradoxe ist, dass der Versuch, Momente durch Handyknipsen und -filmen festzuhalten, scheitert, weil wir den Moment genau dadurch verpassen. Plus: Mindestens 80 % dessen, was wir fotografieren und filmen, sehen wir uns nicht mehr an. Flugscham? Wie wär’s mit Handyfoto-Scham!

Heute fotografiere und filme ich die lebenswertesten Momente meines Lebens am liebsten mit meinen Sinnen.

Hier meine Herangehensweise zur Inspiration: Regenbogen? Ich versuche zu riechen, wie der Regenbogen schmeckt. Sonnenuntergang? Ich versuche, die Einzigartigkeit des vergehenden Tages in mir zu speichern, lade die lichten Momente ein, zu bleiben und lasse mit der untergehenden Sonne los, was ich nicht in den nächsten Tag mitnehmen möchte. 


Ich laufe auch sehr gerne barfuß und speichere schöne Momente, in dem ich versuche, mit meinen Fußsohlen die Temperatur zu fühlen, die der jeweilige Augenblick hat.

Probier das mal aus, finde heraus, wie du am besten mit allen Sinnen fotografierst und filmst. Das macht auch großen und kleinen Kindern Freude!

Wenn ich fotografiere und filme, was ich immer noch sehr gerne tue, tue ich das sehr bewusst und meist mit einem konkreten kreativen Ziel. Ich liebe es, Postkarten oder Wandbilder drucken zu lassen, bastle gerne digitale Fotokunst und Hintergrundbilder aller Art, fotografiere und filme Zeitgeschehen für meine Keynotes und beschenke Freunde gerne mit kreativen Videos.

Das Bild, das ich hier poste, ist eine Collage aus einem Foto von mir und meinen Lieblingstexten von „Der kleine Prinz“ bis „Der Prophet“ von Khalil Gibran. Ich habe das Bild auf Acrylglas drucken lassen und eine Hintergrundbeleuchtung mit einer Ikea-LED-Leiste gebastelt. Das nur als Beispiel, wie ich z. B. Selfies bewusst mache und zielgerichtet verarbeite.

Textportrait von Anitra Eggler

 

EXKURS: WARUM FOTOGRAFIEREN WIR UNS SELBST?

In der Pubertät ist das normal. Man will sehen, wer man ist und wie man so rüberkommt – bei einem selbst, bei anderen und vor allem beim anderen Geschlecht. Nicht normal ist, dass Erwachsene sich mehrfach täglich selbst fotografieren. Oftmals auch völlig schambefreit im öffentlichen Raum.

Anschließend werden die Fotos mit schönenden Filtern bearbeitet, die Augen vergrößert, die Poren bereinigt, die Lippen gewölbt. Spätestens, wenn man, bzw. Frau aussieht wie ein uneheliches Kind aus dem Kardashian-Clan, ist Frau zufrieden.

Vorbildwirkung auf jüngere Frauen: Heutzutage streben Mädels und Frauen danach, ihrem gefilterten Foto-Ich ähnlicher zu werden als ihrem natürlichen Selbst.

Dieser Versuch ist genauso zum Scheitern verurteilt wie der Versuch, Regenbogen oder Sonnenuntergänge insta-worthy festzuhalten und sie gleichzeitig zu genießen.

Im Fall der gefilterten Selfies ist der Realitätsschock so gravierend, dass Mädchen und Frauen dem digitalen Idealbild nacheifern, indem sie beim Beauty-Doc nachspritzen lassen … Das ist ein anderes Thema, ich schweife ab.

Wobei? Zeitgleich mit diesem Artikel ist das neue Video zum alten Song „Beautiful“ von Christina Aguilera erschienen. 

Falls du es noch nicht gesehen hast. Hier ist es: 


Dieses Video zeigt entsetzlich ehrlich, was dieser irrwitzige Insta-Schönheitswahn mit uns und unseren Kids macht.

 
Wenn wir versuchen, unseren surreal aufgehübschten Selfies ähnlicher zu werden als unserem natürlichen Selbst, sieht die ganze Menschheit bald aus wie ihr eigener Avatar. Ist das noch Evolution oder bereits ihr Gegenteil?


Hier kommt ein natürlicher Beauty-Filter:

Lasst uns doch alle versuchen, glücklichere Menschen zu werden und andere Menschen glücklicher zu machen.

Das ist der beste Beauty-Filter! Oder hast du schon mal einen glücklichen Menschen gesehen, der nicht schön war?

Es gibt keine Creme und keine Beautybehandlung dieser Welt, die einen Menschen derart zum Strahlen bringt wie Liebe, wie Lebensglück. Ausprobieren lohnt sich. Aber sowas von!

Zurück zu den Fotos der schönsten Momente des Lebens. 

Das passiert sogar Frischverliebten: Wann hast du das letzte Mal ein Foto gesehen, auf dem zwei Menschen nicht in die Kamera, sondern sich tief in die Augen geblickt haben?

Das ist keine gute Richtung, in die wir uns da gesellschaftlich bewegen.

Es ist kontra evolutionär, wenn wir irgendwann alle aussehen wie Avatare, wie unsere Filter-Ichs. 

Wann ging das eigentlich los mit diesem reflexhaften Handygeknipse und gefilme? 

Ich erinnere mich noch früher, als ich in Wien gelebt habe, bin ich morgens joggen gegangen, im Burggarten und im Volksgarten, also in sehr touristisch frequentierten Zonen. Da musste man vor 10 Jahren als Jogger aufpassen. Aufpassen auf sein Augenlicht. Warum? Weil da massenweise Busreisegruppen unterwegs waren, die vor den Monumenten des Kaisers ein Massenselfie machen wollten.

Und das geht ja nur mit dem Deppenzepter. Dem Selfie-Stick. Dem Ding mit dem langen Stab. Ehe du dich’s versiehst, hast du den als Jogger im Auge ...  Heute ist das sozial toleriertes Verhalten. Sehenswürdigkeit? Massenselfieandrang. 

Man braucht auch zu keinem live Konzert mehr zu gehen. Das Einzige, was man dort sieht, sind die Bildschirme der anderen. Da wird gefilmt wie verrückt. Gefilmt, geknipst und gepostet. Wer erlebt eigentlich noch das Konzert? Jetzt frage ich dich, wie oft schaut man sich die digitale Film- und Fotobeute noch an?

Wie viel Prozent der Fotos und der Videos, die du machst, siehst du dir mehr als einmal an?

Ich würde sagen, wenn du ein Otto-Normal-Smartphoniker bist wie die meisten Menschen, dann schaust du dir maximal 10 % dessen, was du als Fotos und Videos auf deinem Handy hast, noch mal an. Das heißt: 90 Prozent dessen, was du speicherst, ist Datenmüll.

Und wenn wir über unseren CO2-Abdruck sprechen oder über Flugscham, dann sollten wir in dem Zusammenhang ruhig auch mal über Fotospeicher und Videospeicher- und natürlich immer über E-Mail- und WhatsApp-Nachrichten-Scham sprechen.

Weil, die Menge der Daten, die wir da produzieren, produzieren wir für die Mülltonne und dafür, dass wir die Momente, die wir festhalten wollen, verpassen.  

80 Prozent dessen, was wir mit dem Handy fotografieren und filmen, sehen wir nie wieder an. Wir produzieren Datenmüll und verschmutzen die Webwelt und die Umwelt. 

Was hilft?


1. KAMERA AUS, LEBEN AN! WERDE KAMERA-MANN/FRAU DEINES EIGENEN MOMENTGLÜCKS

Bei allem, was du so richtig genießen möchtest, widersteh dem Reflex, es zu fotografieren. Aktiviere deine Sinne. Versuche, den Augenblick zu riechen, zu schmecken, zu fühlen, die Zeit stillstehen zu lassen. Filme mit deinen Augen die Augenblicke in Slow-Motion, die du für besonders erlebenswert hältst. Sei dein eigener Kameramann, deine eigene Kameraufrau in Sachen Lebensgenuss und Momentglück.

Sonnenuntergänge, Sex, Essen, Partys, das Heranwachsen der Kinder, ein Konzert, einen Regenbogen, das Leben ... – mach eine Challenge draus und nimm an Wochenenden ganz bewusst deine Kamera mit, aber fotografiere nur mit deinen Sinnen, knipse und filme nichts mit dem Handy.

Plus: Erteile Kameraverbot bei allem, was deine oder die Privatsphäre anderer verletzt: Geburt, Begräbnis, Kleinkinder, Unfälle, Katastrophen aller Art ...

Weil wir beim Thema sind, hier noch zwei Tipps: 

2. SEXY SELFIES? IMMER OHNE KOPF!

Bei allem, was Google oder Gesichtserkennung niemals sehen soll, ist das die Grundregel. Plus: Sofort löschen – Unbrauchbares und Unaussprechliches.

3. FOTOGRAFIERE ANDERE UND ERSPAR IHNEN EIN SELFIE!

Verhindere Massenselfies: Biete doch beim nächsten Treibholztag z. B. Reisegruppen oder Liebespärchen an, sie zu fotografieren. Zeig Herz, und schieß den Pärchenschnappschuss, bevor beide darauf selfverliebt schielen.

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